[REVIEW] SLASH • Orgy Of The Damned (2024)
Verfasst: Di 21. Mai 2024, 11:34
Dass ich zugegebenermassen einen etwas 'anderen' Musikgeschmack habe, bedeutet nicht per se, dass ich mich Sachen, die für mich zum vornherein als no go gelten müssten, voreilig verschliesse. Es ist immer wieder interessant, sich auch mit Musik zu befassen, die eigentlich nicht in mein Beuteschema passt. Da stosse ich bisweilen auf wahre Perlen, die sich für mich - nach dem Abstreifen einer vielleicht zu vorschnell gebotenen Übervorsicht - schon beim Probehören als wahre Glückstreffer entpuppen. Diese sind jedoch eher die Ausnahme. Mehrheitlich bestätigt sich beim Anhören dann doch, dass meine Erwartungen nicht erfüllt werden. In der Regel hake ich solche Platten dann gleich wieder ab und sie sind aus dem Kopf entfernt.
Dass ich mir grade eben ein weiteres solches Album komplett durchgehört habe, liegt vielleicht vor allem daran, wer an dieser Produktion des Guns'N'Roses-Musikers Slash (einer Band, die ich nie mochte) mit beteiligt ist: Chris Robinson (den ich sehr gerne höre), Billy Gibbons (der leider inzwischen wohl aus Prestige-Gründen überall mitzumischen scheint), Chris Stapleton (den ich total gerne mag), Steven Tyler (den ich vor längerer Zeit mal ziemlich cool fand), Brian Johnson, Beth Hart (deren Stimme ich leider überhaput nicht mag), Paul Rodgers und Iggy Pop (dem einzigen wahren Highlight auf diesem Album). Kurz zusammengefasst: Das ist ein weiteres dieser schrecklichen sogenannten "Bluesrock"-Alben der letzten Jahre, zumindest für meine Ohren. Ich meine: Wozu gibt es seit so langer Zeit schon einen Joe Bonamassa, der es immer wieder versteht, perfekte Brücken zwischen Blues und Rock und wirklich allem, was dazwischen liegt, mit beeindruckender Kreativität zu bauen, ohne bisher den eigenen Zenit überschritten zu haben scheint, sprich: damit beginnt, sich zu wiederholen ?
Nun also kommt auch Slash mit einem dieser multipersonellen Musik-Elaborate aus Blues- und Bluesrock-Songs, um zu punkten. Klar: die Generation, sagen wir mal, zwischen 35 und 55 wird dieses Album sehr gerne mögen, denn es ist das Werk eines ihrer Helden der 80er und 90er Jahre, und man freut sich auch teils Jahrzehnte später noch, wenn einer dieser Helden mal wieder mit neuer Musik aufwartet, ich selbst weiss das nur zu gut. Bloss: Hier kommt keine neue Musik, sondern teilweise sehr alte. Und die wurde leider, wie das öfters in der Vergangenheit praktiziert wurde - nennen wir es...ähm...'modernisiert'. Das hat teils drastische Auswirkungen vor allem im Bereich 'Feeling' im Vergleich zu den Originalen, ich würde diese als fatal bezeichnen, denn Bluessongs, zumal wahre Klassiker, sind in den meisten Fällen nicht dazu geeignet, sie in einem von Hardrock dominierten, soundtechnisch zeittypischen, schillernd in Szene gesetzten Kleid gut aussehen lassen zu wollen.
Und so präsentiert Slash auf seinem neuen Album "Orgy Of The Damned", einem ziemlich bescheuerten Albumtitel, den ich bei einer Blues-, resp. einer Bluesrock-Platte schon gelesen habe, ein weiteres Sammelsurium an tollen alten Songs. Der Albumtitel passt letztlich aber dennoch perfekt, weil er genau das vorsuggeriert, was auf der Platte dann auch über fast die gesamte Spieldauer zu hören ist: Eine Orgie der Verdammten. Verdammt dazu, sich als sogenannte Kommerz-Leichen und/oder vom Business ausgebeutete Dauerprofilierer ständig in der Szene bewegen zu müssen, um im Gespräch zu bleiben, denn der Grat zwischen Erfolg und Vergessenheit ist heute bekanntlich wesentlich schmaler als noch vor 50, 60 oder noch mehr Jahren, als die originalen Versionen dieser Songs ursprünglich das Licht der Welt erblickten und ihren Komponisten teils jahrzehntelang Lohn und Brot garantierten.
Man muss aber festhalten, dass all diese prominenten Gastmusiker, zu denen zusätzlich auch noch Demi Lovato, Tash Neal, Dorothy Martin und Gary Clark Jr. gehören, blosse Ein-Song-Vokalaufträge erfüllen. Die Band, welche die Songs herunterbrettert, setzt sich ebenfalls aus Musikern zusammen, die auf vielen Hochzeiten spielen. Auch sie werden nur das gespielt haben, was der Meister vorgegeben hat. Eine eingeschworene Grundmannschaft hätte das Album vermutlich doch in einem etwas differenzierteren Licht erscheinen lassen. So wird vor allem durchgebrettert, bis das Album beendet ist. So jedenfalls mein Höreindruck. Keine Zeit für irgendwelche gefühlvolle Verschnaufpausen. Bluesrock als akustischer Eilzug durch's Musikzimmer.
Ich habe in Musikgazetten gelesen, dass hier beispielsweise "Klassiker wie "Hoochie Coochie Man", "The Pusher" oder "Born Under A Bad Sign" stilecht kopiert" würden (Metal Hammer), es handle sich um "dynamische, energiegeladene Songs, die sich unmittelbar, roh und unverkennbar vertraut anfühlen" (Greenhell Records). Jaja, das stimmt natürlich schon, hat aber eigentlich vor allem Gültigkeit für jene, welche die Originale nicht kennen. Für diese - und zu denen zähle ich mich auch - ist das Dargebotene vor allem eines: Blasphemie, Frevel am Blues, Gefühle ausblenden und draufhauen. Schon der Einstieg mit dem Opener "The Pusher" von Steppenwolf, ursprünglich geschrieben von Hoyt Axton, lässt nicht viel Gutes erwarten. Diese Version ist völlig missraten, weil sie einfach heruntergerotzt wird. Zudem habe ich Chris Robinson noch nie so blutleer singen hören.
Es folgen weitere Klassiker, die es seit der erstmaligen Veröffentlichung vor vielen Jahrzehnten in immer wieder anderen, durchaus auch wandlungsfähigen, aber oft recht charaktervollen Neueinspielungen zu hören gab, wie etwa das traditionelle "Crossroads" von Robert Johnson, Willie Dixon's "Hoochie Coochie Man" oder Howlin' Wolf's "Killing Floor". Als derbster Frevel empfinde ich persönlich die von Chris Stapleton ziemlich blutleer-gelangweilt vorgetragene Fassung des Fleetwood Mac Klassikers "Oh Well", einem dieser so brillianten Songs aus der Feder von Peter Green, den ich in all den Jahrzehnten des Musikhörens noch nie in einer besseren Variante als der ursprünglichen Originalversion von Fleetwood Mac gehört habe. Ein weiterer Tiefpunkt des Albums ist für mich die Adaption des Stevie Wonder Klassikers "Living In The City". Also bis zum Schluss nicht ein Song, der es wert wäre, zweimal angehört zu werden.
Ich bin ein sehr offener Mensch, was Musik anbetrifft, insbesondere auch ein Fan gut gemachter Coversongs, aber das hier ist leider ein ziemlicher Totalausfall, zumindest für Jene, welche die originalen Songs kennen, aber auch für die, welche sich gerne mit Blues und Bluesrock und insbesondere den Klassikern aus diesem Bereich befassen mögen, denn sie erhalten durch diese lieblos und gefühlskalten Versionen einen völlig falschen Eindruck von der ursprünglichen Intention der entsprechenden Komponisten und ihrer Message. Zum Dargebotenen passt indes das Cover-Artwork wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge: Es tut weh, wenn man's anschaut und es hat vor allem so rein gar nichts mit Blues zu tun. Oje!